Wie wird unsere Insel wieder zum besseren Lebensraum ?
Student*innen aus München treffen „Merret reicht’s“
Tourismus-Professor Dr. Markus Pillmayer von der Hochschule München University of Applied Sciences und Birte Wieda stehen schon länger im Austausch über Themen wie „Overcrowding“, und wie man aus Sylt wieder einen intakten Lebensraum für Einheimische machen kann. Schon 2020 war das Bürgernetzwerk von der Fakultät Tourismus zu einer Podiumsdiskussion eingeladen worden. Nun war Pillmayer mit einer Gruppe Student*innen auf Einladung der Sylt Marketing zu Gast, um das Thema „Fachkräftesicherung und Servicequalität auf Sylt“ im Rahmen eines Studienprojektes anzugehen.
Wissenschaftler Pillmayer beschäftigt sich mit „Destinationsmanagement“, d.h. im weitesten Sinne der touristischen Vermarktung von Reisezielen. Sein Augenmerk liegt aber interessanterweise in der Frage „welche Fehler werden gemacht?“ und welche strukturellen Folgen hat es, wenn dieses „Management“, mangelhaft ist? Seine Untersuchungen -insbesondere im bayerischen Raum- zeigen, welche wichtige Rolle die Bevölkerung vor Ort in den stark frequentierten Urlaubsorten spielt.
Um nun den Mikrokosmos Sylt besser zu verstehen, trafen sich die Student*innen zum Dialog mit Einheimischen aus verschiedenen Fachrichtungen. Intensiv ausgetauscht haben sich die angehenden Touristiker*innen auch mit Birte Wieda, Christiane Taprogge-Langer und Holger Bünte von „Merret reicht’s-Aus Liebe zu Sylt“.
Die Bedürfnisse der Sylter*innen und das Verhältnis von ansässiger Bevölkerung, Zweitwohnungsbesitzern und Gästen standen im Fokus des Gesprächs. Das Bürgernetzwerk konnte die Studentinnen dafür sensibilisieren, dass der Ausverkauf der Insel schon weit vorangeschritten ist. Das große und schnelle Immobilien- und Investmentgeschäft auf Sylt sorgte in den letzten Jahrzehnten zwar für wachsende Wohnraumnot, offene Arbeitsstellen, die nicht besetzt werden können und einen Bruch in den Sozialstrukturen - das alles sind die Auswüchse einer kaum reflektierten, nicht nachhaltigen Entwicklung eines touristischen Standorts. Aktuell droht, dass diese Entwicklung auch weiterhin fortgesetzt und in die nahe Zukunft transportiert wird.
Ein neues Denken und Handeln ist gefragt, um auf Sylt gesunde und stützende Bevölkerungs-strukturen zu bewahren, oder Voraussetzungen zu schaffen, diese wieder auszubilden.
Auch Fachkräfte, so ist das Bürgernetzwerk überzeugt, bindet man nachhaltig nur, indem sie vor Ort einen attraktiven Lebensraum vorfinden, in den sie sich sozial einbringen und ein Zuhause finden können. Ein Gleichgewicht zurückzugewinnen, um die touristische Bewirtschaftung der Insel weiterhin durch eine intakte Einwohnerschaft zu bewerkstelligen, ist nun tatsächlich die größte Herausforderung für die Zukunft geworden.
Dieser Meinung war auch der Wissenschaftler Pillmayer und wies in der Begegnung darauf hin, dass die nötigen Parameter für einen Wandel schon lange zur Verfügung stehen. Mit der „Gemeinwohlbilanz“, nach der sich auch große Destinationen wie das UNESCO-Welterbe Regensburg haben zertifizieren lassen und der „carryingcapacity“, die klare Parameter zur Tragfähigkeit von Tourismus in einer Region liefert, stünden die Tools bereit. Dieses Wissen und Denken in die Politik einzubringen und in Handlungsstrukturen umzusetzen, ist die Heraus-forderung des Moments. „Denn es ist die Politik, die die Rahmenbedingungen setzt und für ihr Handeln Verantwortung übernehmen muss.“, so Pillmayer.
Das Bürgernetzwerk bedankt sich für das zugewandte Interesse und offene Gespräch, den fließenden Dialog und die guten Gedanken! Die Fragen, die sich auftun, lauten: Was käme bei einer Gemeinwohlbilanzierung für Sylt heraus? Wer berücksichtigt in Zukunft die touristische Tragfähigkeit unserer Insel? Welche Kommunalpolitiker können wir im Mai 2023 wählen, um das neue Denken und Handeln für Sylt zu erleben? Ist das Beherbergungskonzept der Gemeinde Sylt schon ein guter Anfang? Oder ist das alles moderner Quatsch?